Montag, 23. August 2010

Die Ausbildung geht weiter

 

Ich habe sehr dringend darauf bestanden, dass die Jugendlichen schnell einen passenden Namen für die Konik-Stute finden sollten. Mir schwebte Grisu vor, doch der war schon mit einem Drachen besetzt. Also interviewte Liya ihre polnische Putzfrau und kam mit einer langen Liste wieder. Baschka wurde von allen akzeptiert.

Da wir keinerlei Möglichkeit hatten, die neue Stute irgendwie von A nach B zu bringen – sie hatte sich ja das Halfter zerschreddert - , mussten wir sie also sehr schnell Halfterführig machen. Und das ging viel schneller, als befürchtet. Wir haben ihr immer wieder das Halfter auf- und wieder abgezogen – alles versüßt mit Leckerem. Bald schon steckte sie ihre Nase ganz von alleine rein. (Davon sind die Fotos leider der Festplatte zum Opfer gefallen…)

                      P1030813 

Dann ging es darum, das Führen zu festigen, auf den richtigen Abstand zu achten. Sie neigt sehr zum Drängeln.

                     P1030819

Und auch das Rückwärtsrichten musste schnell etabliert werden, damit man sie so immer mal wieder in die Schranken weisen kann, wenn sie zu drängelig wird. Eine leichte Körperdrehung und die sanfte Hand auf der Brust reichen eigentlich aus.

                     P1030821

Viel schwieriger war es, sie zum Antraben zu bewegen. Alleine aus der Körperspannung des Führenden heraus verstand sie nicht. Also habe ich sanft mit der Longierpeitsche hinterher getrieben, ohne sie zu verschrecken. Ganz schnell fand sie heraus, dass ein komisches Trippeln des Menschen in Verbindung mit dem Kommando ‘Trab’ schneller bedeutet. Es ging ohne irgendeinen Zug am Führstrick.

Und wir haben immer wieder ihre Neugierde für unsere weiteren Ausbildungsschritte benutzt. Nachts stand sie ja mit Jimmy allein auf dem Reitplatz. Tagsüber mit allen zusammen auf der Weide – da war der Fress-Drang größer, als Rangkämpfe. Nachmittags kam sie dann unter unserer Aufsicht mit  auf den Paddock. Zumal die Großen ja auch oft zum Reiten rausgeholt wurden. Und da hat sie dann ganz genau zugesehen, was mit denen so passiert. 

                  P1030463

Und schwupps konnte man sie problemlos auf die Matten stellen und putzen, wie zuvor die anderen. Natürlich versüßt mit einem Eimer mit Müsli – dem ersten ihres Lebens.

         P1030913 P1030914

Eine viel größere Herausforderung war es, sie das erste Mal aus der engen Pforte bei den Anbindern raus zu lotsen. Das war ihr sichtlich unheimlich. Aber bereits beim wieder Reinbringen war auch das kein Problem mehr.

                               P1030942

Manchmal, wenn wir nur zum Aufsteigen auf den Reitplatz gegangen sind, konnten Jimmy und Baschka drauf bleiben. Ihr erster Blick, als sie da oben auf dem Ponyrücken einen Menschen entdeckte, war unbeschreiblich und leider nicht fotografiert. Aber sie hat regelrecht hochgeguckt. Baschka fand alles nur spannend.

                     P1030432

Selbst als wir die komischen Fliegendecken, die aus harmlosen Fjords unheimliche Ritterpferde machten, ausprobierten, schnupperte sie nur einmal kurz. Viel eher schien sich bei ihr der Gedanke breit zu machen: Soviel Aufwand, nur für mich: Alle Ponys grau zu färben…?

                     P1030435 

     P1030829         P1030830   

Hier zeige ich den Kids eine sehr schöne Übung zur Vorbereitung zum Hufe geben. Man legt ein langes Seil unten um den Vorderfuß und zieht so lange mit leichtem Druck daran, bis das Pferd den Huf vorwärts bewegt. Sofort lässt der Druck nach. Wiebke hat es sehr schnell selbst umgesetzt.

                               P1030828 

Als nächstes ging es darum, sie an den Beinen so zu berühren, dass sie es sich nicht nur gefallen ließ (beim ersten Mal hat sie nach meinem Hintern geschnappt…), sondern wenn möglich auch noch das Gewicht dann von dem entsprechenden Bein weg verlagert. Dafür die vorgeschaltete Übung…

 P1030833    P1030836

Man kann deutlich am rechten Bild erkennen, dass sie das Thema sehr reizt. Kein Wunder: Nehme ich einem Wildpferd ein Bein weg, ist es hilflos. Das ganze Thema brauchte also sehr viel Geduld

P1030923P1030921

Und natürlich muss man immer wieder überprüfen, ob man diese Übung an jedem beliebigen Ort durchführen kann. Geht. Allerding bin ich selbst mit der Hinterhand sehr vorsichtig, da ich  zur Zeit rückentechnisch angeschlagen bin und nicht sehr reaktionsschnell, sollte Baschka tatsächlich reflexartig ausschlagen. Da vertraue ich auf den Schmied. Als sie kam, waren ihre Hufe in einem furchtbaren Zustand, da sie niemals ausgeschnitten wurde. Da sie sich die Hufe in der kurzen Zeit bei uns sehr schön abgelaufen hat, ist der Schmied nicht mehr so dringend. Anscheinend stand sie vorher entweder sehr weich oder hat sich wenig bewegt.

Eine weitere Übung, um das Pferd für Berührungen zu desensibilisieren, ist das Umlegen des Körpers mit einem langen Seil. Dann stellt man sich leicht seitlich hinter das Pferd, zieht vorsichtig an dem Seil, so dass das Ponys den Kopf vom Menschen weg nehmen muss und gleichzeitig auch die Hinterhand vom Menschen entfernt. In der Sprache der Pferde eine ganz wichtige Friedensgeste. Das ist eine Übung, die ich bei Ray Hunt, einem großen, alten US-Pferdemann gesehen habe und die viel Vertrauen zwischen Mensch und Pferd bringt.

     P1030843 P1030841  

Es ist das Schwierige in der Ausbildung von Pferden, sie einerseits gegen bestimmte Reize zu desensibilisieren, so dass sie nicht sofort zur Seite springen, wenn sie mal ein Strick berührt, eine Gerte streift oder ein hängender Steigbügel anstößt. Sie andererseits aber fein für Hilfen zu halten. Ein schmaler Grat, der viel Feingefühl und Erfahrung braucht.

Da ich sehr schnell gemerkt habe, dass Baschka sich sehr stark an mich bindet – wahrscheinlich deswegen, weil ich zum einen am regelmäßigsten mit ihr arbeite, zum anderen natürlich die größere Dominanz und  Kompetenz im Vergleich zu den Jugendlichen habe, versuche ich immer wieder dafür zu sorgen, dass gerade die Jugendlichen viel mit ihr machen (auch wenn ich hier sehr oft zu sehen bin…)

Der nächste Schritt im Führtraining, war das Bewältigen von Angstsituationen. Das Passieren von unbekannten, flatternden Zelten, Hängern, Autos und Engpässen.

 P1030924     P1030929

 P1030927     P1030933

Erst noch sehr skeptisch, doch nach dem Motto: ‘Aber wenn die Alte da langgeht…’. Einmal den Entschluss gefasst, ging sie ohne zu zögern und am durchhängenden Strick mit. Nicht nur mit mir, sondern auch sofort problemlos mit Annika. Linksrum, rechtsrum – es machte keinen Unterschied – so wie bei Vale, für den die andere Seite ja immer vollkommen neu erarbeitet werden muss…

                       P1030934

Und natürlich kommt auch Baschka nicht ums Longieren herum. Was sonst sollen wir mit diesem aufgeweckten, neugierigen und wissbegierigen Kind machen, bevor wir sie in gut einem Jahr erst einreiten können.

Dazu gibt es derzeit allerdings keine gute Rahmenbedingungen. Man bräuchte schon einen eng begrenzten Raum (Round Pen) und vor allem eine ebene Fläche, damit das Pferd dabei auch sein Gleichgewicht finden kann. Aber für allererste Versuche im Schritt reichte es vorm Paddock aus.

     P1040135. P1040138

Rechts herum - dabei ist es wichtig, dass ich auf meiner Position stehen bleibe und das Pferd mit meiner Körperhaltung, dem Weisen des Strickes und dem Touchieren der Gerte an der Schulter den Weg weise. Wenn sie die Richtung verstanden hat, animiert sie die Gerte Richtung Hinterhand zum schnelleren Vorwärts, die Gerte Richtung Schulter zum Einhalten des Kreises um mich herum.

           P1040132

Und dann das Ganze noch einmal links herum. Es ist einfach unglaublich, wie schnell diese Stute lernt!!!! Ehrlichgesagt auch beängstigend, da solche Tiere aus Unterforderung auch schnell auf dumme Gedanken kommen können.  Baschka ist unglaublich schnell in ihren Reaktionen und Rückschlüssen und durchschaut immer wiederkehrende Rituale bereits nach ein, zwei Mal. Da müssen wir uns alle anstrengen!!!

P1040133P1040140

Da sie so schnell ist, gehe ich mit ihrem Ausbildungspensum recht schnell voran, schneller, als ich es sonst tun würde. Sobald sich jemand auf dem Reitplatz tummelt, steht sie am Zaun und guckt sehnsuchtsvoll zu. Da Reiten natürlich noch nicht in Frage kommt, habe ich sie beim Ferienkurs mit Leonie kurzerhand den Bodenparcours mitmachen lassen. Wie eine Alte, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Im Gegenteil: Ihre ganze Haltung strahlte ein Endlich aus…

        P1030982

 P1030983 P1030985 

                 P1030987

Da die kalten Tage viel zu früh vor der Tür stehen und sich schon mal mit ordentlich Regen ankündigen – all das Wasser, das in den Wochen zuvor so dringend gebraucht wurde und nicht kam… –  dachte ich, das Kennenlernen einer Decke kann auch nicht schaden. Erst einmal wurde sie dem danebenstehenden Vale mit viel Getöse aufgelegt, Baschka schaute wie immer zu.

  P1040111 P1040113

Und dann war sie selbst dran. So gaaaanz geheuer war es ihr nicht. Aber mit einem Leckerchen konnte man auch wieder Luft holen und sich entspannen. Das Ganze hat keine fünf Minuten gedauert.

P1040117P1040116

Mit einem besonders schönen Ereignis beende ich diese Mammut-Sitzung für heute: Baschkas Geburtstag. Sie wurde am 10.08.2010 zwei Jahre alt. Da das mitten im Ferienkurs war, brachten Jule und die Kids ihr nicht nur besondere Leckereien, sondern auch einen lila Geburtstagschirm mit, den sie sichtlich stolz im Haar genoss… Von Angie gab es noch das schöne hellblaue Halfter, das sie auf den oberen Fotos trägt. Farblich abgestimmt zu dem ebenfalls grauen Eric mit Dunkelblau.

 P1030994 P1030996

    P1030998

Vergleicht einmal diesen Blick mit dem ganz zu Anfang. Es ist erstaunlich, wie schnell Baschka in der Herde angekommen ist und wie wohl sie sich fühlt – was man ihrem entspannten Gesicht deutlich ansieht….

Sonntag, 22. August 2010

Baschka kommt an

Am 21 Juli 2010 fuhren Wiebke und ich los, um das von Annette Bülow vermittelte Konik-Ponys aus Mecklenburg-Vorpommern abzuholen. Ehrlichgesagt war mir schon sehr mulmig zu Mute. Wenn ich alleine an die letzte katastrophale Verladeaktion mit Tulkas dachte – einem ‘zahmen’ Pony, - mochte ich mir das mit einem echten Wildpferd nicht mehr ausmalen.

In einer dunklen Scheune erwarteten uns zwei völlig verängstigte Ponys, die nur durch Panel-Gitter an Ort und Stelle gehalten wurden. Die Hunde blieben vorsichtshalber draußen, um sie nicht noch mehr aufzuregen. Auch eine ausführliche Knippserei erübrigte sich so, weil der Blitz die Ponys nur noch nervöser gemacht hätte.

Kopie von P1030347

Da stand sie nun, unsere neue Stute, zusammen mit ihrem Bruder. Annette gab beiden kurzentschlossen eine Beruhigungsspritze durch das Gitter in den Hals. Wobei da schon deutliche Verhaltensunterschiede sichtbar wurden. Baschkas Bruder sprang erschreckt zur Seite – soweit die Gitter es zuließen – während Baschka empört nach der picksenden Hand biss… Oh ha!

Mühsam fummelten wir den beiden die ersten Halfter ihres Lebens an den Kopf. Zu dem Zeitpunkt standen sie ganz eng zusammengepresst von den Gittern, damit sie sich nicht entziehen konnten. Nochmal nachsediert und dann alle raus aus der Scheune, bis die Beruhigungsspritze wirken konnte.

Mit Hilfe weiterer Panels haben wir bis in den Hänger hinein eine Art Gasse aufgebaut. Baschka war so rammdösig, dass wir sie ganz langsam Schritt für Schritt auf den Hänger lotsen konnten. Keine Spur von Tulkasschen Steigeversuchen – Gottseidank!!! Ihr Bruder bekam solange vorsichtshalber mein Hemd um den Kopf, damit er nicht einfach hinterher rannte. Denn halten hätte keiner von uns eines der Ponys.

Und dann ging es los. Bis auf einen Polterer stand sie ganz ruhig. Ich fuhr aber auch extrem vorsichtig.

An der Weide empfing uns ein richtiges Empfangskomitee, was mich sehr rührte. Ich finde es unheimlich schön, wenn sich unsere Vereinsmitglieder so engagieren und das Leben rund um die Pferde miterleben möchten. Mir geben diese Tiere so viel und es freut mich einfach, wenn ich sehe, dass es anderen ähnlich geht, so dass sie dafür auch die Mühen eines Weges auf sich nehmen…

Kopie von P1030348

Das Fressen schmeckte bereits

Grisu Ankunft

Leider hatte sich Baschka im Hänger das Halfter zerrissen. Ich konnte es noch vor dem Ausladen mit einem Haken reparieren. Nur den hatte sie sich dann in der Nacht auch noch zerdeppert. So lief sie mit einem halb geschlossenen Halfter rum. (weitere Fotos folgen).

P1030381

Bernd und Tom haben sich von Anfang an ganz rührend und mit sehr viel Ruhe um die kleine, bis dahin ja noch Namenlose Maus gekümmert. Und so konnte Bernd ihr ganz schnell das Halfter abnehmen.

P1030402 

P1030387
Und auch das erneute Aufhalftern ging überraschend gut und war gar kein Thema. Überhaupt zeigte sich bei ihr eine viel größere Neugierde als Skepsis.

Als ich am nächsten Tag alle gemeinsam auf die Weide ließ, gab es nur ein kurzes Kuddelmuddel und dann liefen alle wie selbstverständlich nach unten – Baschka mittenmang.

P1030360

P1030355

P1030356

Nach dem Paddock-Absammeln wollte ich unten auf der Weide nachschauen, ob alles ruhig ist. Sobald sie mich entdeckte, schoss ihr Kopf in die Höhe. Dann schaute sie nach links zu den völlig unbeeindruckt grasenden Weidekollegen. Noch ein Blick nach rechts – das gleiche. Und so wurde sie selbst auch gleich wieder zehn Zentimeter flacher und entspannte sich. Als ich dann auch noch mit Leckerchen kam, schloss sie sich sofort Vale und Co an, um auch was abzukriegen. Die zeigten ihr allerdings erst einmal, dass man sich hier hinten anstellen und die Rangfolge erst erarbeitet werden muss.

Grisu   Eric

Baschka lernt unglaublich viel über Abgucken. Etwas, das wir sofort in der Ausbildung mit aufgenommen haben. Sehr schnell zeichnete sich ab, dass Jimmy ihr neuer best Buddy sein würde. Tulkas war natürlich auch gleich interessiert. Stellte aber fest, dass sie noch zu jung, damit also keine Geschlechtspartnerin für ihn war, und ließ sie links liegen. Vale interessiert sich eh nicht auf ‘dieser Ebene’ für unsere Mädels und Eric blieb sehr cool. Er machte sehr schnell Fellchenpflege mit ihr. Sie sieht ja auch aus wie seine kleine Tochter.

P1030859

Mit Jimmys Hilfe konnten die ersten Führübungen beginnen. Erst immer hinter ihm her, wenn möglich mit losem Strick und ganz viel Lob. Aber auch sehr schnell alleine, ohne Leitfigur.

P1030809

 P1030811

P1030808

In der Nacht, wenn sie mit Jimmy allein auf dem Reitplatz stand, hat sie immer sämtliche Spielsachen (Tonnen, Hütchen, Stangen etc.) durcheinander gewürfelt. Als wir die Brücke und Plane für einen Bodentrail für die Kinder aufbauten, ging sie in der Mittagspause vollkommen selbstständig über all die Hindernisse. Unglaublich, diese Neugierde. Und so etwas sollte ein Wildpferd sein!!!

Sehr schnell hat sich herausgestellt, dass Baschka alles andere als schüchtern und verängstigt ist. Statt des Zähmens, ist eher das Abstandhalten Thema. Denn nachdem sie erst einmal rausgefunden hat, dass wir Menschen Leckerchenspender sind, hat sie sie auch sehr aufdringlich eingefordert - egal, welches Rang höhere Pferd da grade stand. Das gab manch brisante Situation und so wurde die Fütterei erst einmal eingestellt.

P1030415

Für heute ist von meiner Seite erst einmal Schluss mit dem Erzählen. Nur soviel: Baschka löst in mir, wenn sie vor mir steht, eine ganz tiefe Ruhe und Zärtlichkeit aus. Mag sein, dass es dieses völlig vom Menschen mit Vorerfahrungen unbefleckte Wesen ist oder wirklich etwas, das sie ganz persönlich ausmacht. Vielleicht hat sie das selbe ja auch bei Annette Bülow ausgelöst. Denn ich kenne diese nicht als weichgespülte Tierretterin. Und wenn sie sich so für ein dem Tod geweihtes Pferd einsetzt, dann steckt da etwas dahinter. Wie sagte sie, als sie mit mir telefonierte und es darum ging, dass sie sie eigentlich Chippen sollte, damit sie zum Schlachter gebracht werden konnte: “Ich hätte des Gefühl, die Stute zu betrügen.”